Wissenswertes

Rumflether Mühle "Aurora"


In Schleswig-Holstein gab es um 1870 

rund 1200 Wind- und Wassermühlen. 

Bei den sogenannten Bockwindmühlen musste die gesamte Mühle, die auf einem mächtigen Hausbaum lagerte, mit Hilfe des Steerts per Hand in den Wind gedreht werden.


Ende des 17. Jahrhunderts verbreitete sich ein neuer Windmühlentyp aus Holland: eine hölzerne Konstruktion, bei der sich nur das Oberteil, nämlich die Kappe dreht. Die Holländermühlen waren den Bockwindmühlen weit überlegen, da in ihnen auf Grund des größeren Platzangebotes im Unterbau bis zu fünf Malgänge untergebracht werden konnten. Außerdem wurden diese Mühlen mit einer Windrose ausgestattet, so dass sich die Kappe selbständig in den Wind drehen konnte.


Leider haben nur rund 100 Wind- und Wassermühlen in Schleswig-Holstein und Hamburg überlebt, davon sind die wenigsten betriebsfähig. Bekannt bei uns sind neben der Rumflether Mühle noch die Mühle "Hoffnung" in Beidenfleth, die Mühle in Kollmar sowie die Kokermühle in Honigfleth.


Die Rumflether Mühle wurde 1872 von den damals 70-jährigen Mühlenbauer Peter Sießenbüttel erbaut. Es ist überliefert, dass er für seine Kostenvoranschläge und die Bauten seiner Mühlen niemals Zeichnungen brauchte: Er hatte alle Maße und sämtliches Material im Kopf! Die "Aurora" war für ihn die erste Mühle, die er mit einer Windrose versah.

Unsere Mühle


Unsere Windmühle „Aurora“ steht am Rande der kleinen Marschenstadt Wilster in der Wilstermarsch. An dieser Stelle standen nachweislich Mühlen seit dem Jahre 1534. Nachdem ihre Vorgängerin 1871 durch einen Blitzschlag abbrannte, wurde die heutige Mühle im Jahre 1872 wieder aufgebaut als Galerie-Holländer mit Windrose. Sie ist seitdem im Besitz der Familie Martens.

Die Müllerei wurde schon seit den 30er Jahren im hinteren Gebäude durch einen Motormahlgang unterstützt und später ganz ersetzt durch eine Motormühle. Die Windmühle konnte natürlich nur mit der nötigen Windstärke mahlen und wurde bei Bedarf auch nach Feierabend und nachts betrieben.


Unsere Mühle liegt an einem Nebenarm der Wilsterau. Im Jahre 1934 wurde dort ein Speicher gebaut, so dass per Schiff Getreide angeliefert werden konnte. Von 1964 bis Ende der 70er Jahre haben wir den Getreidebedarf sogar mit einem eigenen 50 t Schiff angeliefert.


Mit dem Aufschwung und der Entwicklung in der Wirtschaft nach dem Kriege nahm das Mühlensterben seinen Lauf. Im Jahre 1953 wurde das Mahlen mit der Windmühle ganz eingestellt. Die Investitionen gingen in den Bau von Silos und zwei Hallen, außerdem in den Fuhrpark. Die lose Vermarktung der Futtermittel war angesagt.


Die Windmühle wurde kaum noch bewegt und der Zahn der Zeit nagte an ihrer Substanz. Drei Achtkantständer waren in den letzten Jahren versackt, und die Windrose konnte die Kappe samt Flügelkreuz nicht mehr in den Wind drehen.


Die Windrose wurde festgebunden, um Schäden bei starkem Wind und Sturm vorzubeugen.


Mit den Jahren wurde es immer schwieriger, unseren kleinen Familienbetrieb ohne größere Verluste aufrecht zu erhalten, bis wir uns Mitte 1991 schweren Herzens entschlossen, den Betrieb stillzulegen.


Als unsere Mühle 1981 unter Denkmahlschutz gestellt wurde, atmeten wir erleichtert auf. Wir würden für eine Restaurierung Unterstützung erhalten und es gab Hoffnung, dass unsere Mühle sich eines Tages wieder voll funktionsfähig präsentieren würde.


Aber bis dahin war es ein langer Weg. Sachverständige mussten die gesamte Mühle durchforsten, die Schäden feststellen und die nötigen Reparaturen in die Wege leiten. Kostenvoranschläge wurden erstellt und die erforderlichen finanziellen Mittel mussten bei Gemeinde, Kreis, Land und dem Mühlenverein beantragt werden. Wir als Besitzer waren und sind aufgefordert, diese Maßnahmen mit in die Wege zu leiten und zu betreuen. Aber wir taten es gerne, immer erfüllt von der Vorfreude darauf, dass unsere Mühle eines Tages wieder funktionsfähig sein wird und dass sich die Flügel wieder im Winde drehen werden.


Mit Unterbrechungen durch unvorhergesehene Schwierigkeiten zogen sich die Renovierungsarbeiten bis in die 90er Jahre hinein. Flügel und Kappe wurden demontiert. Über einen längeren Zeitraum bot der abgedeckte Rumpf einen traurigen Anblick, bis endlich im Jahre 1994 die Kappe mit Windrose wieder aufgesetzt wurde.


Die Stahlflügel wurden in Holland angefertigt und im Frühjahr 1996 montiert. Nachdem Heckwerk und Jalousien eingebaut waren, drehte sich die Mühle am 15. Mai 1996 zum ersten Mal wieder im Wind. Das war für unsere Familie ein großes Ereignis.


Am Pfingstmontag 1994 wurde bundesweit der 1. Deutsche Mühlentag veranstaltet. Wir haben uns gerne daran beteiligt und tun dies seitdem jedes Jahr mit Bewirtung und Besichtigung an diesem Tag der offenen Tür.


Aber auch an anderen Tagen steht unsere Mühle für jedermann zur Besichtigung offen.


Die Mühle und der Speicher werden heute wieder attraktiv. Der „Sanfte Tourismus“ fördert auch in unserer Marsch den Fremdenverkehr. Im Mai 1999 wurde bei uns an der Wilsterau eine Anlegestelle für den „Aukieker“ eingeweiht. Der „Aukieker“ ist ein Kahn, der bis zu 50 Personen befördern kann. Er befährt die Wilsterau von der Schleuse in Kasenort bis nach Averfleth. Ein Weg führt die Besucher vom Anleger zur Mühle. Im Mühlenspeicher können auf Wunsch Kaffee und Kuchen angeboten werden.


Seit 8 Jahren führen wir in der Mühle und im Speicher am 1. Advent-Wochenende einen Weihnachtsmarkt durch, der immer wieder großen Zuspruch findet.


Durch diese Aktivitäten erhalten wir unsere Mühle für unsere Besucher attraktiv. Und wir stellen immer wieder fest: Es macht Spaß, Mühlenbesitzer zu sein. Wir sind stolz darauf und genießen die damit verbundenen Freuden und nehmen dabei die Misslichkeiten gerne in Kauf, die Wartung, ständig kleine Reparaturen und Sorge bei Stürmen mit sich bringen.



Hansdelf und Anna Martens

Rumflether Mühle

25554 Wilster